Neue Publikation: Matiaske, Wenzel; Nienhüser, Werner (Hg.): “Ökonomie und Ideologie” (Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft)

Was ist Ideologie? Und ist Ökonomik = Ideologie?

Was wollen wir unter Ideologie verstehen? Ist Ökonomik (das heißt, Theorien bzw. Vorstellungen über die Ökonomie)  Ideologie? Für Weeks (2014) ist die Sache klar:

“Economics of the 1%: How Mainstream Economics Serves the Rich, Obscures Reality and Distorts Policy” (so der Untertitel des Buches von Weeks 2014).

Ökonomik ist also dann Ideologie, wenn sie den Reichen dient, die Realität verschleiert und Politik einseitig beeinflusst. Bei “Mainstream Economics” sei das immer der Fall.

Eagleton (2008) weist darauf hin, dass man bei der Verwendung des Ideologiebegriffes Gefahr läuft, es sich zu einfach zu machen und mit den Ideologievorwurf immer die Theorien der anderen zu diskreditieren, wenn sie einem nicht passen, die möglichen Probleme der eigenen Vorstellungen dagegen nicht einmal wahrnehme:

„… Ideologie (ist) wie Mundgeruch immer das, was die anderen haben“ (Eagleton 2000: 8).

Der vorliegende Band legt folgende Definition zugrunde:

“Die Beiträge des Bandes orientieren sich, durchaus mit Distanz, an der Definition von Ideologie als einem Aussagensystem, das ein (wenigstens zum Teil falsches) Bild der Realität erzeugt, welches Wahrheit suggeriert und durch Wertungen zu Handlungen motiviert, sich zugleich gegen Kritik immunisiert und den Interessen bestimmter gesellschaftlicher Gruppen dient.”

“Über die Theorien und Methoden, Wertungen und Gestaltungsmaßnahmen der Wirtschaftswissenschaften wird gestritten, auch über Disziplingrenzen hinweg. Nicht selten wird dabei der Begriff der Ideologie in Anschlag gebracht. … Der Band behandelt grundsätzlich und weitgreifend, aber auch in Form konzentrierter Fallanalysen Fragen wie:

  • Produzieren die Wirtschaftswissenschaften bzw. bestimmte Richtungen innerhalb der Disziplin Ideologie?
  • Kann Wirtschaftswissenschaft als Mittel der Ideologiekritik genutzt werden?
  • Prägt die Rede vom „Markt” unser Denken, mit der Folge, dass wir Alternativen der Koordination kaum noch für denkbar halten?
  • Erzeugen nicht die Wirtschaftswissenschaften ein negatives Menschenbild?
  • Wie sieht es mit dem Ideologiegehalt von Lehrbüchern der Betriebswirtschaftslehre aus?
  • Welche Gestalt nehmen Ideologien an, die den digitalen Kapitalismus rechtfertigen, indem sie uns glauben machen, Technologie-Unternehmer würden Probleme wie die Klimakrise lösen?
  • Kann eine Pluralisierung der Wirtschaftswissenschaften dabei helfen, Ideologieprobleme zu lösen?” (Quelle: Flyer des Verlages mit Bestellmöglichkeit)

Die Beiträge des Bandes

  • Wenzel Matiaske und Werner Nienhüser: Ideologie und Ökonomie – Einleitung
  • Michaela Haase: Idee, Wert und Belief in der Verbindung der sozialen und der ideenbasierten Dimensionen von Ideologien
  • Moritz Peter Haarmann: Ideologisierung oder Aufklärung? (Markt-)Wirtschaft, Volkswirtschaftslehre und das Politische
  • Arne Heise: Ideologie, Werturteilsfreiheit und der Pluralismus in den Wirtschaftswissenschaften
  • Hannah Heller und Valentin Sagvosdkin: Ideologie und Erzählung: Das marktfundamentale Metanarrativ in der Wirtschaftswissenschaft explizieren und seine Wirkung reflektieren
  • Sebastian Thieme: Ungleichwertigkeit und Ökonomik?
  • Oliver Nachtwey und Timo Seidl: Ideologie und der Geist des digitalen Kapitalismus
  • Thomas Hermann: Manichäismen im BWL-Klassiker Wöhe. Ideologiekritik und dialogische betriebswirtschaftliche Bildung
  • Werner Nienhüser und Wenzel Matiaske: Ideologiekritik aus der Perspektive des Kritischen Rationalismus – Elemente einer Heuristik

Wenzel Matiaske, Werner Nienhüser (Hg.): Ökonomie und Ideologie. „Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft”• Band 32 370 Seiten • 34,80 EUR • ISBN 978-3-7316-1443-2 http://www.metropolis-verlag.de

Literatur

  • Eagleton, Terry (2000): Ideologie. Eine Einführung. Metzler: Stuttgart.
  • Weeks, John (2014): Economics of the 1%. How mainstream economics serves the rich, obscures reality and distorts policy. Anthem Press: London.