In Teilen der Betriebswirtschaftslehre und in der Arbeits- und Organisationspsychologie gilt Maslows Bedürfnis- und Motivationstheorie als zumindest im Kern zutreffend und man meint, man könne sie auf das Verhalten von Menschen in der Arbeitswelt übertragen. Maslow selbst war hier kritischer:
Gut, man könnte dagegen einwenden, dass Maslow eben nicht richtig eingeschätzt habe, wie generalisierbar seine Theorie ist. Ich meine, man sollte sich Maslows Skepsis zum Vorbild nehmen.
Ich stelle die Bedürfnistheorie von Maslow in Vorlesungen nicht mehr vor, obwohl sie zur Historie der Verhaltenstheorien unabdingbar dazu gehört. Der Grund besteht darin, dass Studierende sich in Prüfungen bei der Frage nach Verhaltenstheorien meist nur an die Maslow’sche Bedürfnispyramide erinnern, während andere und besser bewährte Theorien (wie z.B. die Wert-Erwartungs-Theorien oder die Theorie sozialen Lernens) in den Hintergrund treten. Das mag damit zu tun haben, dass die Darstellung der Maslow’schen Theorie in der grafischen Form dazu beiträgt, dass man sie am leichtesten erinnert. Die einfache Darstellung könnte auch eine Ursache für ihre Verbreitung in der Managementlehre sein: Man bekommt die Darstellung als Pyramide so leicht auf eine Powerpoint-Folie und kann die Grundidee leicht erzählen, das geht mit der Wert-Erwartungs-Theorie oder der Theorie sozialen Lernens nicht so ohne Weiteres. (Abgesehen davon kann man mit der Theorie ganz unterschiedliche sozialtechnologische Aussagen begründen, vgl. dazu Nienhüser 1998). Wie gesagt: Maslow selbst hätte gezögert, Gestaltungsempfehlungen für Betriebe, für Lohnsysteme etwa, zu geben.
Literatur
- Maslow, A.H. 1965: Eupsychian management. Homewood, IL: Irwin.
- Nienhüser, W. 1998: Die Nutzung personal- und organisationswissenschaftlicher Erkenntnisse in Unternehmen. Eine Analyse der Bestimmungsgründe und Formen auf der Grundlage theoretischer und empirischer Befunde. In: Zeitschrift für Personalforschung, 1998, 12. Jg., H. 1, S. 21-49. PDF zum download), danke an Rainer Hampp-Verlag; die im PDF fehlende Abbildung von Seite 28 finden Sie hier.
- Bildquelle: I don’t have the copyright for the picture, let me know if this is a probem. Source: https://en.wikipedia.org/wiki/File:Abraham_Maslow.jpg.
Schöner Beitrag! Ähnliches gilt für das Drei-Ebenen-Modell von Schein, gegen das ich zwar nicht grundsätzlich etwas habe, aber es setzt sich so dermaßen in den Köpfen der Studierenden fest, dass andere Aspekte dabei zu kurz kommen. Mit Maslow machen wir am Lehrstuhl auch diese Erfahrungen.
Ich adressiere Maslow in meinen Vorlesungen, verwende aber auch genuegend Zeit darauf, auf die entsprechende Kritik einzugehen. Das im Beitrag vorgestellte Zitat wird mir dabei in Zukunft gute Dienste leisten. Vielen Dank, dafuer! Generell habe ich auch die Erfahrung gemacht, das Studierende zu der Auffassung tendieren: „Motivation, that’s Maslow isn’t it?“ (siehe Tony Watson, 2002). Sobald ich sie aber dazu auffordere, Geld in das Maslowsche Modell einzuordnen, oder darueber zu reflektieren, ob Arbeitgeber ganz generell ein Interesse daran haben, Mitarbeiten die Moeglichkeit zur ’self-actualisation‘ einzuraeumen (mit allen Konsequenzen), dann beginnt das grosse Nachdenken.
Lieber Ingo, ich habe zu danken für die Überlegungen.