Wer hat Macht?
„Wer als Einziger hat, was Andere haben wollen, hat Macht. Je weniger Alternativen jemand hat, sich das von ihm Begehrte zu beschaffen, und je mehr er begehrt, desto geringer ist seine Macht. Freitag hatte Macht über Robinson Crusoe, Robinson Macht über Freitag. Denn Freitag konnte als Einziger das Bedürfnis von Robinson nach menschlicher Gesellschaft befriedigen; Robinson schützte mit seinem Gewehr Freitag vor Feinden. Beide waren voneinander abhängig. Beide hatten große Macht übereinander. Veränderungen des Begehrens und der verfügbaren Alternativen verschieben Machtverhältnisse. Hätte Freitag die Angst vor dem Tod verloren oder wären andere Beschützer aufgetaucht, wäre Robinsons Machtressource wertlos geworden. Freitags Macht über Robinson verschwand, als ein englisches Schiff am Horizont erschien. Robinson hatte plötzlich Alternativen zu Freitag.
Nicht zu unterschätzen ist Macht durch soziale Konstruktion von Wahrnehmung: Wer unsere Vorstellungen darüber, was wir wollen und welche Alternativen wir haben, beeinflussen kann, verändert die Machtrelation.“ (Quelle: Nienhüser, W. 2008: Wer hat Macht? In: 360° – Das Studentische Journal für Politik und Gesellschaft, Heft 1)