Wallraff kritisiert Arbeitsbedingungen in Brötchenfabrik

Elke WetzigAuf Personalauswahl wird offenbar nicht sehr viel Wert gelegt in der Backfabrik Weinzheimer. Sonst wäre es Günter Wallraff wohl kaum gelungen, in der Fabrik, die Brötchen für Lidl backt, einen Monat lang unter falscher Identität als Hilfsarbeiter zu arbeiten.

Wallraff beschreibt die Arbeitsbedingungen in der Backfabrik sehr eindrücklich im aktuellen „Zeitmagazin“ (Nr. 19 vom 30.4.2008, auch online zu lesen): Die Stundenlöhne seien, so Wallraff, mit 7,66 Euro brutto sehr niedrig, die Arbeitsbedingungen schlecht, die Arbeit des Betriebsrates würde behindert, die hygienischen Verhältnisse seien – vorsichtig gesagt – bedenklich, die Qualität der Brötchen wäre fragwürdig.

Stimmt so nicht? Der Bad Kreuznacher Allgemeinen Zeitung berichtet, dass Weinzheimer-Geschäftsführer Bernd Westerhorstmann Wallraffs Vorwürfe eine „krause Mischung aus angeblichen Fakten und unzulässigen Verallgemeinerungen“ nennt. Die Sicherheitsstandards würden strikt eingehalten, die Löhne seien durch Zulagen höher als von Wallraff berichtet.

Die Firma Lidl – Großkunde der Firma Weinzheimer- widerspricht ebenfalls. Lidl weist u.a. darauf hin, dass auch bei anderen Märkten (Aldi, Penny, Plus) die Brötchen ähnlich billig seien.

Wir werden sehen, ob die Firmen rechtlich gegen Wallraff vorgehen werden und was sich ggf. darauf ergibt.

Wer macht eigentlich demnächst die Arbeit von Günter Wallraff? Als „älterer Arbeitnehmer“ bekommt er immer mehr Probleme, in Betrieben tätig zu werden. – Eine „Nachfolge“ wäre notwendig. Offenbar reichen wissenschaftliche Forschung und und Publikationen in Fachzeitschriften oder -büchern nicht aus, um auf solche Missstände aufmerksam zu machen und Änderungen anzustoßen. Denn in der wissenschaftlichen Forschung ist bekannt, dass viele Betriebe Niedriglöhne zahlen, die teilweise erheblich unter dem von Wallraff berichteten Stundensatz liegen. Und man weiss auch, dass es nicht nur wenige Einzelfälle sind, wenn Betriebsratswahlen verhindert und gewählte Betriebsräte von Unternehmenseite drangsaliert werden.

Der Wissenschaft hat die Aufgabe, über Einzelfall-Beschreibungen hinaus zu gehen. Sie muss weiterreichende Beschreibungen liefern und Gründe dafür suchen, warum etwas so ist, wie es ist. Dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt, von dem Günter Wallraff berichtet, dürfte leider leicht zu zeigen sein. Nicht ganz so leicht ist die Analyse der Ursachen für solche Unternehmenspraktiken mit derartig schlechten Bedingungen für die Beschäftigten und letztlich auch negativen Folgen für die Kunden.

(Quelle des Fotos: Wikimedia Commons, Fotografin: Elke Wetzig)