Wie können Gewerkschaften, aber auch Arbeitgeberverbände „abhängige Selbständige“ organisieren? Wie reagieren Verbände auf dieses Problem einer Beschäftigtengruppe, die gleichsam zwischen den jeweils von ihnen Organisierten stehen? Diese Gruppe von Arbeitskräften arbeitet einerseits selbständig, damit unterscheidet sie sich zumindest formal von den Arbeitskräften, deren Interessen Gewerkschaften traditionell vertreten. Andererseits arbeiten solche „Selbständigen“ häufig nur für ein oder wenige Unternehmen und sie beschäftigen selbst keine Arbeitnehmern. Damit entsprechen sie auch nicht der klassischen Klientel von Arbeitgeberverbänden.
Susanne Pernicka und Ulrike Mühlberger untersuchen die Frage, wie Verbände mit diesem Organisationsproblem umgehen am Beispiel der österreichischen Versicherungswirtschaft. Sie schreiben: „Die Transformation hierarchischer betrieblicher Steuerung in relationalen Vertrags- und Tauschbeziehungen hat in vielen europäischen Ländern zu einer Zunahme abhängiger Selbständigkeit geführt. Aufgrund des Graubereichs zwischen selbständiger und unselbständiger Beschäftigung stellen abhängig Selbständige eine Herausforderung für die traditionellen Handlungs- und Organisationslogiken der Verbände der Arbeitsbeziehungen dar. Der Aufsatz nimmt die Organisationsfähigkeit und -probleme der Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände in den Blick, exemplifiziert diese anhand einer qualitativen Untersuchung der österreichischen Privatversicherungswirtschaft und kommt zu dem Schluss, dass die Konflikte zwischen Arbeit und Kapital längst nicht mehr ausschließlich zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden verlaufen, sondern zunehmend verbandsintern ausgetragen werden. Dies führt entweder zu einer Zunahme an Interessensdivergenzen, die unter Umständen mit Abspaltung und Partikularismus einzelner Gruppen beantwortet werden, oder – wie in dem untersuchten Fall durch die Gewerkschaften – zur Ignoranz des Problems. In beiden Fällen wird das Problem der Interessensaggregation kurzfristig gelöst; Solidarität und vor allem verhandlungsschwächere Gruppen dürften dabei aber langfristig auf der Strecke bleiben.“
Quelle:
Susanne Pernicka und Ulrike Mühlberger 2009: Abhängige Selbständigkeit in der Versicherungswirtschaft – Neue Konflikte im Spannungsfeld traditioneller Vertretungsstrukturen, In: Zeitschrift für Personalwirtschaft, H. 1, S. 28-46 (Abstract siehe hier: http://www.gruner-druck.de/hampp-verlag-services/get?file=/frei/ZfP_1_2009_28)