“Kontrolle statt Mitbestimmung”

Dr. Klaus Schweinsberg, Chefredakteur der Zeitschrift „Capital“ hat auf seinem Weblog ein Editorial zum Thema „Mitbestimmung“ (mehr dazu hier) verfasst. Hier einige Zitate:

„Die betriebliche Mitbestimmung hat uns genau in die Situation geführt, die sie eigentlich hätte verhindern sollen: Das Kapital rottet sich zusammen. Und das Arbeitnehmerlager genießt – wie die Beispiele Siemens, VW und Mannesmann zeigen – die Vorzüge des real existierenden Sozialismus. Nur eines findet nicht statt: eine echte Kontrolle der Manager durch den Aufsichtsrat. Die Mitbestimmung ist ein Erbe des Nationalsozialismus. … Dass dieser Weg [die Unternehmensmitbestimmung, W.N.] in die Irre führt, lässt sich spätestens dieser Tage besichtigen. In kaum einer anderen Industrienation der Welt ist die Unternehmenskontrolle durch Aufsichtsräte so unprofessionell wie in Deutschland. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Weshalb die sogenannte Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat kaum Kontrolle ausübt, lässt sich in den Prozessakten von Mannesmann und Volkswagen und bald auch in den Schriftsätzen der Siemens-Prozesse nachlesen. Ich erspare uns die unappetitlichen Details.“ Schweinsberg kritisiert anschließend auch die Arbeitgeberbank: „Völlig ausgehebelt wird die Kontrolle freilich, wenn Manager, die ein Unternehmen operativ geführt haben, nahtlos in den Aufsichtsrat wechseln. In immerhin 14 Aufsichtsräten der Dax-Konzerne sitzen derzeit ehemalige Vorstände. … Was deutsche Konzerne brauchen, ist keine Kungelei, sondern professionelle Kontrolle.“ (Quelle)

Etliche Kommentare zu diesem Editorial beziehen sich auf die Aussage, dass die Mitbestimmung „ein Erbe des Nationalsozialismus“ sei. Ich habe ebenfalls einen Kommentar zu diesem Beitrag verfasst, greife aber einen allgemeineren Punkt auf.

„Sehr geehrter Herr Dr. Schweinsberg,
stellen wir uns einen Medizinjournalisten vor, der Behauptungen über die Wirkungen eines Medikaments X aufstellt. Wir sollten erwarten, dass dieser Journalist die Untersuchungen über die (erwünschten und unerwünschten) Haupt- und Nebenwirkungen kennt und sie auch berücksichtigt, wenn er Behauptungen aufstellt. Sicher wird dieser Journalist vor einer schwierigen Aufgabe stehen: Er müsste nicht nur viel gelesen haben, er müsste auch in der Lage sein, die Qualität der Untersuchungen einzuschätzen und sich so ein abgewogenes Gesamturteil bilden. Ich jedenfalls würde es für unverantwortlich halten, wenn Medizinjournalisten Untersuchungen ignorierten, Urteile von Expertenkommissionen nicht beachteten oder sich in ihren Behauptungen von einzelnen Fallberichten über Medikamentenwirkungen beeinflussen ließen.
Betrachten wir für einen Moment die Mitbestimmung und ihre Wirkungen in Analogie zu einem Medikament X und seinen Wirkungen. Müsste nicht ein Wirtschaftsjournalist ebenso sorgfältig wie ein Medizinjournalist auf Grundlage von Untersuchungen urteilen? Müsste der Wirtschaftsjournalist nicht auch Gründe angeben, warum er Expertenurteilen widerspricht und Behauptungen aufstellt, die im Gegensatz zum Stand der wissenschaftlichen Forschung stehen? Ich meine, dies wäre Aufgabe eines verantwortlichen Journalisten – und dieser Aufgabe müsste und könnte er auch dann gerecht werden, wenn ihm für seine Behauptungen nur wenige Zeilen zur Verfügung stehen.
Ich komme nach Lektüre der wissenschaftlichen Untersuchungen – im Gegensatz zu Ihnen – zu dem Schluss, dass Mitbestimmung wirtschaftlich mindestens nicht negativ wirkt. Auch Ihre Behauptung: “In kaum einer anderen Industrienation der Welt ist die Unternehmenskontrolle durch Aufsichtsräte so unprofessionell wie in Deutschland” mag stimmen oder nicht, ich kenne keine einzige empirische Untersuchungen, die diese Aussage stützt.
Insgesamt meine ich, dass Sie leider Ihre journalistische Verantwortung nicht genügend wahrgenommen haben, denn Sie haben die Mehrheit der Untersuchungen über Wirkungen der Unternehmensmitbestimmung und sich darauf stützende Expertenberichte (wie den der Biedenkopf-Kommission) ganz offensichtlich nicht berücksichtigt.
Mit freundlichen Grüßen – Prof. Dr. Werner Nienhüser…“

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